TO on Tour: Nächster Stopp Baar

Foresight 15:30

Anlässlich des Digitaltags 2019 stellte die SATW den Technology Outlook 2019 im Raiffeisen Unternehmenszentrum in Baar vor. Das Publikum zeigte sich sehr interessiert.

Anlässlich des Digitaltags 2019 stellte die SATW den Technology Outlook 2019 im Raiffeisen Unternehmenszentrum in Baar vor. Das Publikum zeigte sich sehr interessiert.

Rund 35 Unternehmerinnen und Unternehmer nahmen am Anlass des Raiffeisen Unternehmenszentrums (RUZ) in Baar anlässlich des Digitaltags am 3. September teil. Bereits die ersten beiden Referate betrafen mit «Cybersecurity» und «Internet der Dinge» Themen, denen sich auch die SATW widmet. Franco Cerminara von InfoGuard zeigte eindrücklich, wie einfach aber verheerend Cyberattacken sind, über welche banalen Kanäle die Angriffe erfolgen und wie professionell die Angreifer vorgehen. Dazu gehören eine «Angriffsplanung» über Monate und ein «Helpdesk» für Opfer, die Problemen haben, das geforderte Lösegeld in Kryptowährung zu bezahlen. Die mahnenden Worte liessen keinen der Anwesenden kalt und veranlassten wohl einige, ihre Sicherheitsmassnahmen zu überdenken. Guido Stillhard von Schindler widmete sich der Frage, wie ein Traditionsunternehmen mit einem Produktzyklus von gut 50 Jahren von der Digitalisierung profitieren kann. Lifte und Rolltreppe lassen sich nicht disruptiv neu erfinden, andere Ansätze sind gefragt. So eröffnet ihre Vernetzung zum IoEE (Internet of Elevators and Escalators) neue Servicemodelle und generiert wertvolle Daten. Diese ermöglichen etwa, die Türen der Liftschachte oder die Seitenflächen der Rolltreppen als Plattform für individuelle Werbung zu nutzen.

Anschliessend stellte Claudia Schärer, Leiterin Früherkennung der SATW, den Technology Outlook 2019 vor und erklärte insbesondere, wie die Bedeutung der Technologien für die Schweiz sowie die hiesige Kompetenz ermittelt wurden. Zudem demonstrierte sie die Online-Version und deren Funktionalität, mit einem Fokus auf der Quadranten-Darstellung sowie dem internationalen Vergleich. Das Publikum stellte reflektierte, kritische Fragen. So etwa, ob die Veränderungsbereitschaft der Gesellschaft bei der Beurteilung berücksichtigt wurde.

Wertvolle Tipps zum Einsatz von Cobots

Wie bei der Präsentation in Brugg Ende Juni referierte TO19-Autor Max Erick Busse-Grawitz, Technology Transfer Manager bei Maxon, zum Thema «Kollaborative Robotik». Er unterschied drei Arten von Robotern: Der erste sei lebensgefährlich für den Menschen und müsse eingesperrt werden, der zweite könne Menschen bei voller Geschwindigkeit zwar schaden, lasse sich aber so programmieren, dass er bei Annäherung eines Menschen in einen sicheren Zustand kommt. Der Dritte ist der kollaborative Roboter oder Cobot, der gefahrenlos mit Menschen zusammenarbeite, dafür aber deutlich mehr Software und Sensoren braucht, als die anderen beiden. Als Beispiel nannte er den TX2touch von Stäubli. Motivationen für den Einsatz von Robotern in Unternehmen sind etwa die Einsparung von Lohnkosten, die Automatisierung monotoner, wenig anspruchsvoller Arbeiten oder bei Schichtarbeit, da Bewilligung für Nachtschichten häufig nur schwierig zu bekommen seien. Anhand eines Diagramms zeigte er aber auf, dass das Anwendungsgebiet für Cobots insgesamt nicht sehr gross ist, auch wenn es sie je nach Land und Thema unterscheide. «Wirtschaftliche Anwendungen sind immer noch schwer zu finden und besetzen kleine Nischen.»

In Bezug auf die Sicherheit erwähnte er die weit entwickelten Standards. Beispielsweise würden alle Cobots über redundante Sicherheitskreise verfügen. Die Normen seien ebenfalls sehr fortschrittlich. Wer Cobots einsetzen wolle, müsse diese lesen, denn die Sicherheit liege in der Verantwortung des Betreibers, nicht des Herstellers. Wichtig ist auch der finanzielle Aspekt. Die Kosten für einen Cobot sind oft klein gegenüber jenen für die Integration in eine Produktionslinie. Flexible, einfache Programmiersprachen seien hier hilfreich. Wer bereits genau wisse, was er wolle, könne direkt zu einem Ingenieursbüro oder Hersteller gehen. «Der Schweizer Markt ist klein, man kennt sich und die Gefahr eines "Overselling' ist gering.» Andernfalls könne man sich für Rat an die Fachhochschulen wenden, speziell an die BFH Biel (Gabriel Gruener), die HSR Rapperswil (Agathe Koller) und die ZHAW Winterthur (Marcel Honegger). «Das sind ausgewiesene Robotik-Experten.» Er riet den Anwesenden davon ab, einen eigenen Cobot entwickeln zu wollen. Die Konkurrenz sei bereits jetzt enorm gross. Wer es dennoch versuchen möchte, könne sich auf der Suche nach Technologien an die EPFL, ETH oder das NCCR Robotics wenden: «Die sind Weltklasse.»

Don’t Believe The Hype

Den Abschluss machte Stephan Sigrist, Gründer und Leiter von W.I.R.E. Der SATW-Experte stellte die Erkenntnisse seines Denklabors vor. Schlagworte «Digitale Disruption» oder «kreative Zerstörung» seien in aller Munde und bisweilen entstehe der Eindruck, kein Stein bleibe auf dem anderen: Aber stimmt das? In seinem kurzweiligen Referat machte er deutlich, dass viele der hohen Erwartungen überzogen sind. Das mooresche Gesetz habe zwar seit über 30 Jahren Gültigkeit, doch die exponentielle technologische Beschleunigung lasse sich nicht 1:1 in Innovation umsetzen.

Gegenüber gängigen Aussagen wie «Daten sind das neue Gold» oder «wir müssen alle programmieren lernen» zeigte er sich skeptisch. Die Diskussion finde heute zu stark auf der technologischen Seite statt. Unternehmen sollten sich eher fragen, wo wirklich ein Bedürfnis, ein Nutzen bestehe: «Innovation braucht Kunden». Grosses Potenzial sieht er im Erkennen von Mustern, wobei nicht ohne Einschränkungen: «Korrelation ist nicht gleichbedeutend mit Kausalität», was für Algorithmen schwierig zu erkennen sei. Es brauche Menschen, um Scheinkausalitäten zu entlarven. Ob Big Data insgesamt die gewünschte Verbesserung bringe, sei fraglich: «Gemeinhin gilt, je mehr Daten, desto besser entscheiden die Leute. Wir glauben, das Gegenteil ist der Fall». Warum? «Die Menschen sind zunehmend überfordert, die Entscheidungskompetenz nimmt ab.» Er schloss mit der These, wonach ökonomische Aspekte sowie der Kundennutzen zunehmend zum Treiber würden, nicht die technologische Machbarkeit. «Digitalisierung ist die neue Normalität, aber nicht auf dem Level, wie es uns vermittelt wird.»

Auskunft:
Dr. Claudia Schärer, Leiterin Früherkennung, Tel. +41 44 226 50 20, claudia.schaerer@satw.ch