Eine paradoxe Beobachtung prägt den Technology Outlook 2025 der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften SATW. Die Zahl der rein digitalen Technologien, die in der Studie aufgeführt sind, ist drastisch gesunken, während Fertigungsverfahren, Materialien und Energie-Technologien zunehmen. Bedeutet das das Ende der Digitalisierung? Im Gegenteil. Es ist das Zeichen ihrer vollständigen Durchdringung unserer Wirtschaft und deshalb ist es in dem Outlook ein weniger präsentes Thema. Schliesslich evaluiert dieser die Technologiefelder, die in den nächsten drei bis fünf Jahren an Bedeutung gewinnen.
Digitale Technologien verschwinden nicht, sie werden unsichtbar. Was früher als eigenständiges Forschungsfeld galt, ist heute in fast jeder Innovation integriert. Von CO2-basierten Kunststoffen über Batterietechnologien bis zur Kreislaufwirtschaft spielt Software eine zentrale Rolle, ohne explizit als digitale Technologie aufzutauchen.
Die Analyse von 31 Technologien durch 158 Expertinnen und Experten offenbart drei prägende Entwicklungen. Erstens schreitet die digitale Transformation so weit voran, dass sie zur Grundlage aller anderen Innovationen wird. Zweitens rücken Materialien ins Zentrum der Aufmerksamkeit, getrieben von unterbrochenen Lieferketten, Rohstoffknappheit und Nachhaltigkeitsdruck. Drittens entsteht eine CO2-Ökonomie, in der das Treibhausgas vom Problem zum wertvollen Rohstoff wird.
Wenn man die digitalen Technologien im Technology Outlook 20205 genauer betrachtet, werden drei Stossrichtungen sichtbar, die die Zukunft der Digitalisierung formen.
Die erste Dimension umfasst das klassische Kerngeschäft der IT, heute aber auf einem völlig anderen Level. Photonisch integrierte Schaltkreise nutzen Licht statt Elektronen für die Datenübertragung und versprechen dramatische Geschwindigkeits- und Effizienzgewinne. Quantencomputer werden künftig völlig neue Bereiche der Rechenleistung erschliessen. Und Large Language Models ermöglichen erstmals die Verarbeitung unstrukturierter Daten in grossem Massstab.
Dabei vollzieht sich eine doppelte Bewegung. Horizontal werden immer mehr Bereiche digitalisiert, vom smarten Backofen bis zur KI-gestützten Textverarbeitung. Vertikal nimmt die Durchdringungstiefe zu. Systeme erfassen nicht nur Daten, sie greifen aktiv steuernd ein. Verkehrsdaten fliessen zurück ins Verkehrssystem und regulieren es dynamisch.
Die zweite Dimension verlagert den Fokus von der Technologie zum Menschen. Was früher Aufgabe von UX-Designern am Ende der Produktentwicklung war, steht heute im Zentrum der Innovation. IT gliedert sich zunehmend nahtlos in Arbeitsabläufe ein, statt dass sich Menschen an starre Systeme anpassen müssen. Human-Machine-Interaction wird vom Randthema zur Kernkompetenz.
Die dritte Dimension wird von Ressourcenknappheit getrieben. Rechenzentren suchen verzweifelt nach Einsparpotenzial beim Stromverbrauch. Photonisch integrierte Schaltkreise könnten hier einen erheblichen Beitrag leisten. Gleichzeitig wächst der Druck, Elektronikschrott zu recyceln und wertvolle Rohstoffe zurückzugewinnen. Second-Life-Anwendungen für Batterien und andere Komponenten werden vom Nischenthema zum Geschäftsmodell.
Die Gespräche mit 160 Expertinnen und Experten fördern vier Problemfelder zutage, die über Erfolg oder Misserfolg der Schweizer Innovationslandschaft entscheiden werden.
Zwischen Forschungsexzellenz und wirtschaftlichem Erfolg klafft eine Lücke. Im internationalen Vergleich werden in der Schweiz nur wenige Versuche unternommen, Forschungsergebnisse in Startups und Spinoffs zu überführen. Die wenigen Gründungen sehen sich oft mit fehlendem Risikokapital konfrontiert. 86 Prozent des in der Schweiz investierten Risikokapitals stammt aus dem Ausland. Bei allen Standortvorteilen der Schweiz ist diese Zahl bezeichnend.
Unternehmen kämpfen zunehmend darum, qualifiziertes Personal zu finden. Ob tatsächlicher Mangel oder Bewerbermangel, der Leidensdruck ist hoch. Paradoxerweise bieten Unternehmen gleichzeitig weniger Praktika und Juniorstellen an, was den Trend langfristig verstärken dürfte. Ein Teufelskreis mit absehbaren Folgen.
Industrievertreter wünschen sich einfacheren Kontakt zur akademischen Forschung. Zudem besteht Bedarf nach Ökosystemen, in denen ähnliche oder komplementäre Unternehmen Räumlichkeiten und Infrastruktur teilen können. Gerade teure Infrastruktur, die sich einzelne Unternehmen nicht leisten können, wird so zum Standortfaktor jenseits niedriger Steuern und schöner Landschaften.
Trotz Spitzennoten in internationalen Rankings hinken Schweizer KMU bei der Digitalisierung massiv hinterher. Viele scheitern regelrecht an der digitalen Transformation oder sind zumindest stark überfordert. Dies ist besonders brisant, da digitale Kompetenz längst nicht mehr optional ist, sondern zur Existenzfrage wird.
Die Erkenntnisse des Technology Outlook münden in klare Handlungsempfehlungen. Die Kommerzialisierungslücke erfordert bessere Rahmenbedingungen für Ausgründungen und gezieltes Risikokapital aus inländischen Quellen. Der Fachkräftemangel verlangt nach mehr Ausbildungsplätzen und einem Umdenken bei Einstiegspositionen. Die Vernetzung braucht physische und institutionelle Infrastruktur, die Kooperation erleichtert. Und die digitale Transformation der KMU benötigt niederschwellige Unterstützungsangebote und praxisnahe Begleitung.
Der Technology Outlook 2025 macht deutlich, dass die Schweiz an einem Scheideweg steht. Die wissenschaftliche Exzellenz ist vorhanden, die technologischen Möglichkeiten sind da. Ob daraus wirtschaftlicher Erfolg wird, hängt davon ab, ob die identifizierten Handlungsfelder konsequent angegangen werden. Die Zeit drängt, denn der internationale Wettbewerb schläft nicht.
Der Technology Outlook 2025 wird von der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften SATW im Auftrag des Bundes herausgegeben. Claudia Schärer und Stefan Scheidegger vom Foresight-Team haben den Technology Outlook 2025 erarbeitet. Die Studie analysiert alle zwei Jahre zukunftsweisende Technologien und deren Bedeutung für die Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft.