Die Schweiz ist ein Industrieland

Foresight 11:00

Am 21. August 2018 wurde die Studie «Innovationskraft der Schweizer Industrie 1997–2014: Neu bewertet» offiziell lanciert. Als Blog-Serie präsentierten wir die wichtigsten Resultate der Studie im Detail. Erster Teil ist die Einleitung mit der Antwort auf die Frage, warum die SATW diese Studie gemacht hat.

Der Wohlstand der Schweiz und vieler anderer europäischer Länder beruht zu einem grossen Teil auf den Industrieprodukten, die sie herstellen. Die Schweizer Industrie exportierte 2015 Güter im Wert von über 203 Milliarden Schweizer Franken. Die Wertschöpfung pro Kopf in der Schweizer Industrie ist gut fünfmal höher als in der Landwirtschaft und mehr als eineinhalbmal höher als im Dienstleistungssektor. Nur die Finanzbranche übertrifft die Industrie bei dieser Kennzahl. Die Schweizer Industrie beschäftigt fast 600 000 Personen, was 23 Prozent aller Schweizer Arbeitsplätze entspricht.

Die Schweizer Industrie ist dadurch gekennzeichnet, dass gewisse Industrien wie Chemie und Pharma dominieren, während andere wie die Automobil- und Konsumgüterindustrie schwach vertreten sind. Das spiegelt sich auch in den Kennzahlen wider: In der Kategorie Chemie/Pharma arbeiten zwar nur gut zehn Prozent der Industrieangestellten, diese tragen aber mehr als einen Drittel zum Exportvolumen der Schweiz bei.

Die Kategorie Lowtech ist äusserst wichtig für die Schweizer Wirtschaft, da sie für fast 50 Prozent aller Industriearbeitsplätze sorgt. In der Kategorie Lowtech (Definition siehe unten) arbeitet die Mehrheit der Angestellten in KMU, in der Kategorie Chemie/Pharma hingegen in Grossunternehmen. In der Kategorie Hightech (Definition siehe unten) ist die Situation ausgeglichen. Die Einteilung in High- und Lowtech berücksichtigt die Intensität von F&E, welche durch die Grössen «F&E-Ausgaben dividiert durch die Wertschöpfung» sowie «F&E-Ausgaben dividiert durch die Produktion» bestimmt wird. Sie wird damit der Bedeutung einer Industrieklasse nicht immer gerecht. So tragen Innovationen in der Kunststoffindustrie – gemäss einem Bericht von Swiss Plastics6 – nicht direkt, sondern indirekt über ihren Einsatz in anderen Produkten zur hoher Wertschöpfung bei. Hohe Regulierungskosten in Medizintechnik und Pharma dagegen täuschen mehr Ausgaben vor, als wirklich für Innovation erbracht werden.

Warum macht die SATW diese Studie?

Ein Grundauftrag der SATW ist die Früherkennung neuer Technologien, die für die Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft von Bedeutung sein werden. Im Technology Outlook 2017 der SATW werden disruptive Technologien identifiziert und ihre Bedeutung für die zukünftige Entwicklung der Schweizer Wirtschaft bewertet . Auch wenn die Schweiz über viele Standortvorteile verfügt, stehen Firmen in vielen NOGA-Klassen, vor allem KMU, vor grossen Herausforderungen. Um wirksame Massnahmen ergreifen zu können, müssen die Stärken und Schwächen der einzelnen Industrieklassen bekannt sein.

Aus den Innovationstrends der Schweizer Industrie in den vergangenen 15 Jahren lassen sich vorsichtige Vorhersagen ableiten, wie es in naher Zukunft um die Innovationsfähigkeit der Schweizer Industrie stehen dürfte. Da sich die verschiedenen Industrieklassen, aber auch KMU und Grossfirmen, in den letzten 15 Jahren in Bezug auf die Innovationskraft unterschiedlich entwickelt haben, zeigt die SATW in ihrer Studie auch eine detaillierte Analyse der Innovationskraft der einzelnen Industrieklassen.
Ein Bericht des Bundesamts für Statistik vom März 2017 zeigt zudem auf, dass in der Industrie der Anteil an Unternehmen mit hohem Beschäftigungswachstum (> zehn Prozent/Jahr) kleiner ist als in anderen Wirtschaftszweigen, was die Notwendigkeit einer detaillierten Analyse ebenfalls unterstreicht.

Wie verstehen wir Innovation?

Diese Studie befasst sich mit der Innovationskraft der Schweizer Industrie. Es ist daher unabdingbar, dass wir eine präzise Definition dafür geben, was die SATW unter Innovation versteht. Wir verwenden dazu die breit akzeptierte Begriffsbildung von Henry Chesbrough:

Eine Innovation ist ein erfolgreich durchlaufener dreistufiger Prozess: Am Anfang steht eine Neuerung oder Erfindung («Invention»). In einem zweiten Schritt wird diese Neuerung zu einem neuen Produkt weiterentwickelt, wobei das Produkt kein materielles sein muss, ebenso denkbar sind beispielsweise eine Smartphone-App oder ein Business-Modell. Die Innovation ist aber erst dann wirklich erfolgt, wenn der dritte Schritt erfolgt ist: Das neue Produkt hat sich für seinen Kundenkreis als wertvoll erwiesen.

Damit ist klar: Eine Innovation beschränkt sich nicht einfach auf die Erfindung von «etwas Neuem», sondern es ist eine Neuerung, die auf dem Markt erfolgreich sein muss. Die Innovationskraft eines Landes beruht deshalb auf vielen Einzelfaktoren, die in einem komplexen Zusammenspiel den Innovationsprozess im internationalen Wettbewerb beeinflussen.

Definition von Lowtech nach NOGA: Druck, Energie, Holz, Kunststoffe, Metallerzeugnisse, Metallherstellung, Nahrungsmittel/Genussmittel, Papier, sonstige Industrie, Steine und Erden, Textil/Bekleidung, Wasser/Umwelt

Definition von Hightech nach NOGA: Elektronik/Instrumente, Elektrotechnik, Fahrzeuge, Maschinen, Medizinaltechnik, Uhren

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