Pflanzenproteine aus Sicht einer Verarbeiterin

Food Food Week 10:26

Micarna ist nicht nur eine Fleischverarbeiterin, sondern auch im Bereich der Fleischersatzprodukte Know-How-Trägerin. Geht es bspw. um das Wursten, beherrscht sie die wichtigsten Produktionstechnologien. Ralph Langholz, Head Alternative Proteins und Vizepräsident Swiss Protein Association (SPA), erörtert im Interview die Herausforderungen bei der Produktions von Fleischersatzprodukten aus der Perspektive eines Proteinherstellers.

Ralph Langholz, Head Alternative Proteins, Micarna und Vizepräsident Swiss Protein Association (SPA)

Die Micarna ist eine Fleischverarbeiterin. Weshalb produziert gerade sie Produkte aus Pflanzenproteinen?
Es werden heute schon in der gesamten Migros Industrie Produkte mit Pflanzenproteinen hergestellt. Da die Micarna als Fleischverarbeiterin Know-How wie z.B. beim Wursten besitzt und die richtigen Produktionstechnologien beherrscht, ist es eine logische Konsequenz Fleischersatzprodukte wie vegane Würste in der Micarna herzustellen. So kann die Migros sicherstellen, dass sie ein sehr schmackhaftes und zugleich preislich interessantes Fleischersatzprodukt für den Konsumenten anbieten kann.

Seit wann werden in der Micarna Produkte aus Pflanzenproteinen hergestellt?
Es wurden auch schon in Vergangenheit hybride Mixprodukte aus Fleisch mit hohen pflanzlichen Proteinanteil hergestellt. Damals war aber die Zeit noch nicht reif aus Markt- und Konsumentensicht. Die veganen Fleischersatzprodukte aus Pflanzenproteinen liefern wir seit 2019.

Wie gross, gemessen an der Gesamtgrösse der Micarna, ist der Anteil von Produkten aus Pflanzenproteinen?

Im Moment machen die veganen Produkte mit Pflanzenproteinen noch einen sehr kleinen der gesamten Micarna Produktpalette aus; vegane Produkte sind nach wie vor Nischenprodukte.

Woher stammen die Ideen für neue Produkte aus Pflanzenproteinen?
Da gibt es unterschiedliche Innovationswege wie Ideen zu Produkten umgesetzt werden. Entweder werden diese an uns herangetragen von unseren Kunden oder wir nehmen Impulse aus dem Markt und von Konsumententrends auf. Wichtig zu betonen ist, dass wir als Industriebetrieb mengenmässig relevante und schmackhafte vegane Artikel herstellen möchten.

Arbeitet Micarna mit Start-ups oder der wissenschaftlichen Forschung zusammen, um innovative Produkte aus Pflanzenproteinen zu entwickeln?
Da die Micarna nicht der einzige Hersteller von Produkten aus Pflanzenproteinen ist, wird die Innovation und Zusammenarbeit mit Start-ups eher zentral auf Ebene Migros Industrie geführt. Aber auch die Micarna hat in der Vergangenheit mit Start-ups Kontakt gehabt und arbeitet regelmässig mit wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen und Instituten zusammen. Das kann vom Praktikanten bis hin zu spezifischen Fragestellungen in einer Masterarbeit gehen.

Wie gross ist der Anteil an Rohstoffen, die aus der Schweiz kommen, für die Herstellung von Produkten aus Pflanzenproteinen? Wo liegt der grösste «Engpass»?

Im Bereich Rohstoffe für Fleischersatzprodukte werden hauptsächlich Proteinisolate eingesetzt. Da die Marktentwicklung noch am Anfang steht (z.B. geringere Mengen) gibt es noch keine Verarbeitungskapazitäten für Proteinisolate in der Schweiz. Dies wird sich natürlich ändern, sobald der Markt wächst. In anderen Produktkategorien wie Milchersatz oder Tofu gibt es heute schon Produkte mit 100% pflanzlichen Rohstoffen aus der Schweiz.

Welche spezifischen Herausforderungen sieht die Micarna bei der Produktion von Produkten aus Pflanzenproteinen?
Die Preise und die Verfügbarkeit bei den Rohstoffen ist sicherlich eine Herausforderung. Ebenfalls sind Anforderungen der Kunden wie kurze Zutatenlisten oder Produkte in Bioqualität teilweise schwieriger umzusetzen.

Welche alternativen Proteinquellen – abgesehen von Pflanzenproteinen – stehen bei der Micarna im Fokus?
Die Micarna ist ja eine Verarbeiterin von Proteinen. Ob diese aus tierischen Quellen oder pflanzlichen Quellen stammen, spielt am Ende keine Rolle. Der Konsument bestimmt am Schluss auf welche Arten von Proteinen wir fokussieren. 2017 hatte ich bei der Micarna begonnen Lebensmittel mit Insektenproteinen im Markt zu testen. Auch hier waren wir als Industriebetrieb innovativer Vorreiter mit einem Burger und Bällchen. Aber der Test war schlussendlich nicht erfolgreich auf Grund der zu geringen Nachfrage von Seiten der Konsumenten. Daher haben wir 2021 die Vermarktung von Ersatzprodukten aus Basis von nachhaltigen Insektenproteinen wieder pausiert. Trotzdem konnten wir wertvolle Erkenntnisse gewinnen, welche uns heute auch in anderen Kategorien (Plant-Based, kultiviertes Fleisch) helfen.

Welche alternative Proteinquelle ist die wichtigste, aktuell und in naher Zukunft?
Meiner Meinung nach ist die pflanzenbasierten Proteine im Moment die wichtigste, da hier am meisten Erfahrung in der gesamten Wertschöpfungskette vorhanden ist - sowohl als Hersteller aber auch von Seiten der Konsumenten. Bei den Insekten ist die Konsumentenakzeptanz im Moment noch nicht vorhanden. Dies kann sich in Zukunft aber natürlich noch einmal ändern. Ebenfalls kultiviertes Fleisch aus Zellkultur oder Produkte aus Fermentation werden in naher Zukunft an Bedeutung gewinnen.

Hat die Micarna für die Herstellung von Produkten aus Pflanzenproteinen neue Maschinen beschafft? Was sind die produktionsspezifischen Herausforderungen?
Nein bei der Herstellung kann die existierende Technologie zum grossen Teil eingesetzt werden. Aber auf Migros Industrie Ebene wird auch in neue Schlüsseltechnologien wie z.B. Extrusion investiert.

Welche Entwicklungen stehen den Produkten aus Pflanzenproteinen bevor? In welche Richtung wird sich die Produktion bewegen?
Sicherlich wird die Produktvielfalt mit neuen technologischen Möglichkeiten steigen. Geschmack und Preis sind sicherlich zwei der wichtigsten Parameter für den Konsumenten. Mit kurzen Zutatenlisten oder Bioprodukte aus Pflanzenproteinen werden sicherlich auch verschiedene Konsumentengruppen angesprochen. Aber hier bin ich der Meinung, dass dies auch seine Grenzen hat. Ich kann momentan keine 1:1 Fleischersatzprodukt aus Pflanzenproteinen herstellen ohne Texturgeber, Aromen und Verarbeitungstechnologien wie z.B. die Extrusion zu verwenden.

Essen Sie selbst Produkte aus Pflanzenproteinen? Welches ist ihr absolutes Lieblingsprodukt?
Ja sicherlich kommen die Produkte aus der Micarna regelmässig bei uns zu Hause auf den Tisch. Die zwei Favoriten in der Familie sind unsere V-Love Würstchen, welche ich wie ein knackiges Wienerli im heissen Wasser schnell zubereiten kann als Hot-Dog oder einfach auf dem Grill. Ebenfalls unsere V-Love Bratwurst in Rädchen geschnitten und als Currywurst zubereitet kommt gut an. Echt lecker!