Advanced Manufacturing macht die Schweizer Industrie schneller, kostengünstiger und flexibler

Advanced Manufacturing 09:03

Am zweiten Swiss Advanced Manufacturing Community Event (SAMCE) gewannen Anneke Orlandini und Manuel Marbach mit Talks zur ihren Forschungsgebieten «Biomedizinische Laser-Ablation» und «Laser Transformation Hardening & Metal Deposition». Was fasziniert sie an AM? Und wie wollen sie ihr Knowhow für den Werkplatz Schweiz einsetzen?

Was ist Advanced Manufacturing und warum ist es eure Leidenschaft?

Anneke Orlandini (AO): «Advanced Manufacturing (AM) ist ein Ansatz der Industrie, der neue Technologien wie Automatisierung, Robotik, 3D-Druck und KI nutzt, um Produktionsprozesse zu optimieren. Man kann damit die Effizienz steigern, Fehler reduzieren und komplexere Produkte schneller als auf herkömmlich Art herstellen.
Ich interessiere mich sehr für diesen Bereich, da er ein breites Anwendungsspektrum bietet und zahlreiche technologische und prozessuale Herausforderungen mit sich bringt. Hier kann ich Methoden und Ansätze entwickeln, um Prozesse zu optimieren und besser zu verstehen, eine für mich äußerst lohnende Erfahrung. AM entwickelt sich ständig weiter und ist voller Neuheiten und Reize, sodass das Erlebnis immer spannend und niemals langweilig wird.»

Manuel Marbach (MM): «Meine Kollegin hat es treffend formuliert: ‘Advanced Manufacturing’ nimmt für sich in Anspruch, innovative Technologien und Prozesse zu verwenden, um bisherige Fertigungsprozesse zu verbessern und neue zu kreieren. Aus meiner Sicht ist ein AM ein schöner ‘Markenname’ dafür ist, dass man sich kontinuierlich weiterentwickelt.
Was für andere Fussball ist, das sind für mich Technik und Wissenschaft. Seit meiner Lehre als Polymechaniker habe ich den Werkstoff Metall ins Herz geschlossen. Darauf habe ich fünf Jahre als Monteur weltweit Gasturbinen-Kraftwerke revidiert und bin erst danach via Technikerschule ins Studium (BSc, MSc) gelangt.
Ohne meine Leidenschaft für die Materie hätte ich dies nie vollbracht. Die Zeit auf Montage hat mich aber auch sehr geprägt in Bezug auf das Optimieren von Anlagen und Prozessen. Der Grundgedanke von «Advanced Manufacturing» in Kombination mit meiner technischen Leidenschaft passt wie die die Faust aufs Auge. Es ist meine Berufung.»

Was ist Euer Forschungsbereich und warum beteiligt Ihr Euch an SAMCE?

MM: «Ich arbeite seit drei Jahren im Bereich der additiven Technologien (Laser Metal Deposition) und deren Prozessoptimierung mittels neuem Process-Monitoring und Closed-Loop-Control. In diesem Zusammenhang hat mich mein Supervisor auf SAMCE angesprochen.
Die Möglichkeit, für einen Austausch mit anderen Wissenschaftler und Studenten von anderen Hochschulen sowie die Möglichkeit an einer Konferenz mit qualitativ hochwertigen Vorträgen teilzunehmen, ist aus meiner Sicht unschlagbar. Es gab sehr viele sehr gute Präsentationen gab und ich plane, auch das nächste Mal teilzunehmen. Erstens wegen ebendieser Vorträge und zweitens auch, weil der Austausch mit anderen Gleichgesinnten sehr wertvoll ist.»

AO: «Mein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Femtosekunden-Laserablation im biomedizinischen Bereich. Diese Technologie bietet eine präzise Kontrolle der Oberflächentopographie von Implantaten und hat das Potenzial, das Knochenwachstum zu fördern und das Risiko des Bakterienwachstums zu verringern, wodurch ein globales Problem bei der Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes angegangen wird.
Dennoch ist die Technologie im industriellen Bereich aufgrund der Produktionszeiten und der begrenzten Korrelationen zwischen Prozessparametern und biologischem Verhalten der Geräte derzeit nicht attraktiv, weshalb gezielte Forschungsaktivitäten in diesem Bereich erforderlich sind.
Die Teilnahme am SAMCE ist eine Erfahrung, die ich mit Begeisterung begrüsse, da sie einen Moment der Begegnung und des Kennenlernens junger Forscher:innen darstellt, die sich wie ich in diesem äusserst dynamischen und innovativen Sektor bewegen.
Es ist eine unglaublich produktive Gelegenheit, Arbeiten zu teilen, verschiedene Ratschläge und Perspektiven zu erhalten und sich von Projekten inspirieren zu lassen, die in verschiedenen AM-Bereichen stattfinden.»

Wie herausfordernd war es, Euer Thema auf 12 Folien zu je 15 Sekunden zusammenzufassen und zu präsentieren?

AO: «Mein Thema ‘Oberflächenfunktionalisierung von Ti6Al4V für orthopädische Implantate’ ist breit gefächert und sehr interdisziplinär. Es reicht vom Verständnis der Technologie und der komplexen Wechselwirkungen zwischen Laser und Materialien in einem stark nichtlinearen Prozess bis hin zu Kenntnissen im medizinischen und biologischen Bereich. Das umfasst die Wechselwirkungen zwischen Zellen und Implantaten sowie die notwendigen Anforderungen, um sicherzustellen, dass diese Implantate den erforderlichen hohen Standards entsprechen.
Die Auseinandersetzung mit dieser Vielfalt an Bereichen war nicht einfach, aber ich glaube, es ist mir gelungen, die Komplexität dieser Arbeit mit aussagekräftigen Stichworten zu vermitteln. Ich habe versucht, das Potenzial hervorzuheben, das zur weiteren Verbesserung der Qualität der Systeme besteht, und die verschiedenen Richtungen aufzuzeigen, in die dieser Bereich entwickelt werden könnte.»

MM: «Mein Thema ‘Laser Transformation Hardening (LTH) + Laser Metal Deposition (LMD)’ war aus meiner Sicht keine grosse Herausforderung in Bezug auf die Schwierigkeit. Aber das Timing ist gnadenlos und die drei Minuten sehr kurz. Deshalb muss man die Präsentation so klar wie möglich aufbauen und den Inhalt festlegen. Dann üben-üben-üben bis der Text ohne Aussetzer oder ‘ähs’ sitzt. Praktisch alles, das ich mir vornahm, habe ich so in der Präsentation gesagt.

Das ist aufwendig, aber keine grosse Herausforderung. Und ich finde das schuldet man dem Publikum auch. Alle Anwesenden nehmen sich diese wertvolle Zeit, um zuzuhören, also verdienen diese auch, entsprechend belohnt zu werden. Und das hat mir am SAMCE-Event sehr gut gefallen, dass so viele so hochstehende Präsentationen dabei waren. Aus meiner Sicht war es eine grosse Bereicherung.»

Ihr habt beide in eurer Vortrags-Kategorie gewonnen. Worauf können Sie das zurückführen? Habt ihr davon profitiert, was andere präsentiert haben?

MM: «Da müsste man die Jury fragen ;) Aus meiner Sicht denke ich, dass mein Thema gerade den Nerv der Zeit getroffen hat und die intensive Vorbereitung auf meine «Engage»-Präsentation hat sicherlich nicht geschadet. Persönlich war ich so nervös, dass ich mich an die Präsentation kaum erinnern kann.
Die Auswahl der Präsentation ist sehr divers, da «Advanced Manufacturing» einen enorm grossen Sektor abdeckt. Direkt hat eine Präsentation im Bereich von Simulationen (Thomas Mayer) mir neue Denkanstösse geliefert und auch gezeigt, wie zusammenhängend die Themenbereiche sind. In Erinnerung habe ich die Präsentationen von Pauline Claire Fichter, Gaëtan Bernard und Lorenzo Pollicini. Die haben Methoden bestätigt, Vorgänge in anderen Materialien beschrieben und mir hat sehr imponiert, wie viel andere Teams leisten. Darum würde ich schon sagen, dass ich profitiert habe.»

AO: «Ich glaube, ich habe den Connect-Speed-Talk gewonnen, weil ich die Bedeutung der multidisziplinären Zusammenarbeit betont habe, um bei dieser Art von Aktivität hervorragende Leistungen zu erbringen. Es sind technische Fähigkeiten erforderlich, die Maschinen, Technologie und Prozesse umfassen, aber auch biomedizinische Fähigkeiten sind ebenso wichtig.
Letztere ermöglicht die Durchführung von In-vitro-Aktivitäten und ein detailliertes Verständnis der Interpretation und Kombination der erhaltenen Daten, ein besseres Wissen über die Wechselwirkungen zwischen Implantaten und biologischen Komponenten zu erlangen.
Im Kontext von Advanced Manufacturing (AM) wird es immer wichtiger, unterschiedliche Hintergründe zu kombinieren und immer heterogenere Teams zu bilden, um die Wettbewerbsfähigkeit in Bezug auf Forschung und Innovation aufrechtzuerhalten.»

Wo könnt ihr euch vorstellen, euer Forschungs-Know-how einzusetzen, um die (Schweizer) Industrie voranzubringen? Was könnten zukünftige praktische Anwendungen sein?

AO: «Ich habe eine tiefe Leidenschaft und ein großes Interesse an der Welt der Medizintechnik. Ich glaube fest an das Potenzial dieser Technologie, die dank ihrer Anwendbarkeit auf einer Vielzahl von Materialien, von anorganischen bis hin zu organischen, einen grossen Vorteil bietet. Derzeit wird die Femtosekunden-Technologie für Hornhautumformungsoperationen eingesetzt. Ich stelle mir vor, dass diese Technologie in Zukunft für eine Reihe anderer Aufgaben eingesetzt werden könnte, sowohl im Fertigungsbereich als auch als Interventionsinstrument im Operationssaal.»

MM: «Meine wissenschaftliche wie auch praktische Zukunft wird bei Lasern in der Fertigung liegen. Wir haben in der Schweiz fantastische Absolventen der ETH und EPFL für den Hightech-Bereich und die Grundlagen. Zwischen diesen und den KMUs/Grossfirmen muss jemand die Technologien fit für die Anwendung machen. Die Fertigungsprozesse müssen stabil, resilient und effizient sein. In diesem Interface sehe ich meine Rolle für die Schweizer Industrie.
Meine Präsentation zeigt die Lösung eines Problem in diesem Bereich: Bisherige Anlagen sind extrem starr und unflexibel. Deshalb werden LMD/LH Fertigungsprozesse auch nur dort eingesetzt, wo sie teuer sein dürfen und die technologischen Aspekte in den Vordergrund dringen. Das neue System der flexiblen Laserstrahlform gibt dem Industrieanwender zusätzliche Freiheiten und Möglichkeiten. Er kann mittels einer Anlage zwei Bearbeitungsprozesse erfüllen (= Platz- und Kostenersparnis) sowie komplexere Arbeiten durchführen.